Eine gut funktionierende Beckenbodenmuskulatur ist die Basis der Kontinenz. Aus diesem Grund hat das Beckenbodentraining eine sehr große Bedeutung in der Prophylaxe und Therapie bei Harn- und Stuhlinkontinenz und bei Senkungen der Beckenorgane.
Die Beckenbodentherapie sollte zumindest eingangs durch eine spezialisierte Physiotherapeutin angeleitet werden. Dabei können Einzeltherapie und Gruppentherapie zur Anwendung kommen.
Leider ist der Beckenboden im Bewusstsein der Frauen kaum oder meist gar nicht verankert. Wenn er funktioniert, wird er nicht bemerkt und demzufolge auch nicht zusätzlich bewusst trainiert.
Wünschenswert wäre, wenn jedes junge Mädchen bereits frühzeitig über die Funktion der Beckenorgane und des Beckenbodens aufgeklärt würde. Viele Spätschäden könnten dadurch möglicherweise erheblich gemindert werden.
Schon in der Schule schleicht sich beispielsweise mit dem Überfüllen der Blase oder auch durch häufiges prophylaktisches Entleeren erstes Fehlverhalten ein, was in beiden Fällen das Füllungsvermögen der Blase negativ beeinflusst.
Häufig werden die Blase und der Darm durch falsche Pressmanöver entleert, weil keine Zeit da ist oder die Schultoiletten nicht zum entspannten Sitzen auf der Toilette einladen. Ebenso kann auch die Obstipation schon eine frühe Ursache für spätere Senkungsprobleme sein.
Fehlerhaftes Toilettenverhalten irritiert den Beckenboden und die Beckenorgane und kann langfristig zu Schädigungen führen.
Es soll an dieser Stelle auch darauf hingewiesen werden, dass es nicht immer nur der schwache Beckenboden ist, der Training braucht, sondern häufig auch der verkrampfte Beckenboden.
Wenn ein Kind oder eine Frau Angst vor Harnverlust hat, beginnt der Kopf etwas Richtiges anzuleiten, nämlich: den Beckenboden anzuspannen, damit nichts heraus läuft.
Wird diese Anspannung dauerhaft praktiziert, führt dies zur Verkrampfung des Beckenbodens, wodurch das komplexe System der Kontinenzsicherung massiv gestört wird. Die häufig noch „zu Trainingszwecken“ praktizierte Harnstrahlunterbrechung verschlechtert den Zustand zusätzlich, da während eines Entleerungsvorganges der Beckenboden nicht entspannt, sondern mehrfach angespannt wird. Restharnbildungen und ständiges Dranggefühl sind oft die Folge.
Wichtig ist ein gut koordinierter Beckenboden. Bei der Entleerung von Stuhl und Harn muss er gut loslassen können. Um bei Belastungen wie z. B. Husten, Niesen, Heben und Tragen adäquat reagieren zu können, benötigt er darüber hinaus ausreichend Kraft und Koordination.
Auch für die Sexualität ist ein koordinierter Beckenboden wichtig, damit ein lustvolles Zusammensein möglich ist.
Einzeltherapie
Die Einzeltherapie dient der individuellen Beratung und dem Einüben eines auf die Bedürfnisse des Individuums angepassten Beckenbodentrainingspro-grammes, welches dann regelmäßig zu Hause weiter durchgeführt werden muss, am besten natürlich täglich. Eine weitere wesentliche Komponente ist das Training der mit dem Beckenboden zusammenarbeitenden Muskulatur und die Schulung eines beckenbodenfreundlichen Alltagsverhaltens.
Einzeltherapie ist für die gesetzlich Versicherten und für die meisten Privatpatientinnen eine Leistung, die übernommen wird, wenn auch in beschränkter Anzahl Sitzungen.
Gruppentherapie
Die Anleitung im Rahmen einer Gruppentherapie wird von unterschiedlichen Anbietern durchgeführt. Hebammen, Physiotherapeutinnen, Gesundheitstrainerinnen,... leiten in Gruppen Übungen an. Der Unterhaltungswert solcher Veranstaltungen ist definitiv größer als bei Einzelsitzungen und auch das Aufeinandertreffen anderer "Betroffener" zum Austausch hat einen unschätzbaren Wert. Allerdings ist eine individuelle Betreuung in den meisten Fällen nicht gegeben und es reicht auch nicht aus, dieses Training nur ein- oder zweimal wöchentlich in der Gruppe mitzumachen. Selten steuert die gesetzliche Kasse etwas zu solchen Gruppentherapien bei, die Privaten tun dies grundsätzlich nicht.
Anleitung
Die individuelle Anleitung umfasst optimalerweise auch eine Instruktion zum Ertasten des Beckenbodens und eine (besonders) geschulte Beckenbodentherapeutin (auch Urotherapeutin genannt) führt eine Anfangsuntersuchung und eine Verlaufskontrolle durch, wenn die Patientin dies autorisiert und wünscht. Grundsätzlich ist, bei gegenseitigem Einvernehmen, die Untersuchung durch eine Physiotherapeutin möglich, wird aber oft wegen persönlicher oder rechtlicher Bedenken im deutschen Sprachraum nicht angeboten oder mangels entsprechender Ausbildung und Schulung der Physiotherapeuten/-innen nicht praktiziert.
Eine kurze Anmerkung zur Verordnung von Heil- und Hilfsmitteln
Der Versicherte hat nach § 33 SGB V einen Rechtsanspruch auf die Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenhausbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind.
1 Rechtsanspruch
Liegen die medizinischen Voraussetzungen für die Versorgung mit einem Hilfsmittel vor, so hat der Versicherte einen Rechtsanspruch auf Leistung.
2 Gesetzliche Einschränkung
Die Spitzenverbände der Krankenkassen bestimmen Hilfsmittel, für die Festbeiträge festgesetzt werden. Dabei sollen in ihrer Funktion gleichartige oder gleichwertige Mittel in Gruppen zusammengefasst werden. Die Landesverbände der Krankenkasse und die Verbände der Ersatzkassen legen für ein Land einheitliche Festbeträge fest (§ 36 SGB V). Ist für ein erforderliches Hilfsmittel ein Festbetrag festgesetzt, trägt die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe des Betrages.
3 Zuzahlung bei Hilfsmitteln
Nach Inkrafttreten des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes vom 01. 01. 2004 unterliegen auch Hilfsmittel der gesetzlichen Zuzahlung. Zuzahlungen, die Versicherte zu leisten haben, betragen 10% des Abgabepreises, mindestens jedoch 5 Euro und höchstens 10 Euro; allerdings jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln (z. B. Saughilfen) beträgt 10% je Packung, höchstens jedoch 10 Euro für den Monatsbedarf je Indikation.
4 Hilfsmittelverzeichnis
Hilfsmittel können zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden, wenn eine Leistungspflicht der Kasse gegenüber dem Patienten besteht. Das Hilfsmittelverzeichnis gemäß § 128 SGB V stellt keine Positivliste der von der gesetzlichen Krankenkassen umfassten Hilfsmittel dar, vielmehr handelt es sich beim Hilfsmittelverzeichnis um eine unverbindliche Auslegungshilfe, an welche die Krankenkassen nicht gebunden sind.
Die Hilfsmitteleigenschaft ergibt sich folglich nicht allein aus dem Hilfsmittelverzeichnis. Soweit die Hilfsmitteleigenschaft vorliegt, ist ein Produkt verordnungsfähig und fällt unter die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse.
5.1 Inhalt der Hilfsmittelverordnung:
Der Arzt ist verpflichtet, die Verordnung für ein Hilfsmittel sorgfältig und leserlich auszustellen. Eine eigenständige Hilfsmittelverordnung gibt es nicht. Hilfsmittel sind daher grundsätzlich auf dem Arzneimittelverordnungsblatt zu verordnen, das hierfür besondere Spalten oder für die Auftragung der Hilfsmittel Positionsnummern enthält. Dem Arzt ist es dabei freigestellt, ob er lediglich die Produktart oder aber ein spezifisches Einzelprodukt verordnet.
5.2 Voraussetzung für die Verordnung von Inkontinenz-Hilfsmitteln:
Die Verordnung von Inkontinenz-Hilfsmitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung kommt dann in Betracht, wenn
• diese im direkten Zusammenhang mit einer Behandlung einer Krankheit (bei Harn- und/oder Stuhlinkontinenz z. B. im Rahmen einer Dekubitusbehandlung, Dermatosen oder als Operationsfolge) notwendig werden,
• neben der Harn- und/oder Stuhlinkontinenz schwere Funktionsstörungen vorliegen, so dass ohne Einsatz von Inkontinenzhilfen der Eintritt von Dekubitus oder Dermatosen droht,
• die Betroffene die Harn- und/ oder Stuhlinkontinenz nicht kontrollieren und sich auch insoweit nicht bemerkbar machen kann,
• nur durch den Einsatz von Inkontinenzmitteln das allgemeine Grundbedürfnis einer Teilnahme am gesellschaftlichen Leben befriedigt werden kann.
Ist eine der genannten Voraussetzungen erfüllt, besteht Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen unabhängig davon, ob sich die Betroffene in häuslicher Umgebung aufhält oder in einem Alten(pflege)-heim untergebracht ist.
6 Budgetrelevanz:
Hilfsmittel fließen nach § 84 SGB V nicht in das Arznei- und Heilmittelbudget Ihres Arztes ein.
Heilmittel-Richtlinien, zweiter Teil,
1. Maßnahmen der Physikalischen Therapie (Beschluss Bundesausschuss 6. Februar 2001)
Katalogpositon 3.4: Erkrankungen der Nieren, Harn- und Geschlechtsorgane
Dr. med. Armin Fischer
armin.fischer@klinikum-hef.de
Seit dem 1.11.2024 unterstütze ich mit meiner AGUB-III-Expertise das Klinikum Bad Hersfeld.
Für Terminanfragen wenden Sie sich bitte an das Sekretariat des Chefarzts Dr. Kai Fischer:
Tanja Rzeczewsky
Diese Webseite wurde mit Jimdo erstellt! Jetzt kostenlos registrieren auf https://de.jimdo.com