Dranginkontinenz (Urge)

Hier handelt es sicher um die komplexeste Blasenfunktionsstörung, die sich beim Menschen entwickeln kann. Die Definition ist hierbei noch das einfachste: Der Drang auf die Toilette gehen zu müssen tritt so plötzlich, so heftig oder so häufig auf, dass es das Leben im Alltag so beeinträchtigt, dass die Funktionsstörung einen Krankheitswert bekommt. Dabei ist zweitrangig, ob die Toilette noch rechtzeitig, d. h. trocken erreicht werden kann oder nicht. Die Ursachen sind mannigfaltig. Hier werde ich nur die wichtigsten vorstellen.

Petros hat im Rahmen seiner Integraltheorie das Verständnis für die anatomischen Störungen, die zur Drangproblematik führen sehr viel verständlicher gemacht. Dabei spielt vor allem die Anbindung der Scheide an die Beckenbodenmuskulatur und deren Möglichkeit die Spannung der Scheide "nachzujustieren" eine große Rolle:

 

Anatomisch (senkungs-) bedingter Drang

Eine Lockerung der elastischen Membran „Scheide“ z.B. durch Altern/Geburten entspannt die suburethrale Hängematte. Dadurch können die an beiden Seiten ansetzenden Muskeln das Urethralrohr nicht mehr schließen. Es kommt zum belastungsabhängigen Urinverlust, aber die gleiche Lockerung („Laxizität“) versagt beim Unterstützen der Blase. Unter zunehmender Füllung (obere Abbildung a-c) werden die Dehnungsrezeptoren (R) vorzeitig erregt (stimuliert). Dadurch entfällt die Hemmung (Inhibition) des Blasenmuskels (Detrusors) bei niedrigen Füllungsvolumina durch höhere Zentren – Frequency (hohe Frequenz des Wasserlassens), Urge (Drangprobleme) und Nykturie (häufiges nächtliches Wasserlassen) können Folge sein.

Bei der Nykturie (häufiges nächtliches Wasserlassen) ist die Situation etwas anders: bei stehender Patientin mit intakter Bandfixierung der Scheide im  Becken (Sakrouterinligamente) kommt es zur Entlastung der Pressorezeptoren (PR) mit Füllung der Blase bis zu einem gewissen Punkt (unt. Abb. a). Legt sich die Patientin mit schlechter Fixierung der Scheide dort hin, dann kommt es in Folge der Lageveränderung auch zu einer Verlagerung der Blase. Die Belastung der Scheide mit Versagen der hinteren Fixierung führt zur Stimulierung der Pressorezeptoren, da die oberen 2/3 der vorderen Scheidenwand durch ihre Anbindung an die Blase ebenfalls in dies Verlagerung durch den Lagewechsel einbezogen sind (unt. Abb. b). Auch hier kommt

es zu einer vor-/frühzei-tigen Aktivierung physiologischer Prozesse. 

 

Blasenwand-bedingter Drang - [Glykosaminoglykan [GAG] schutzschichtdefekt]

Vereinfacht kann man es sich so vorstellen: Die Blaseninnenseite ist mit einer Schleimhaut ausgekleidet. Eine Schleimhaut produziert Schleim, in diesem Fall die GAG-Schicht. Diese verhindert, dass im Urin geklöste Stoffe, auch Salze, in die tieferen Schichten gelangen. Hier z. B. stimuliert das im Urin vorhandene Kalium den Blasenmuskel und provoziert über die A-δ-Fasern einen normalerweise durch die Kontinenzreflexe (Sphinkterkontraktion) kontrollierten Harndrang. In einer krankhaften Situation kann dies aber zu einer Kontraktion des Blasenmuskels führen oder auch zu einer Beckenbodenkontraktion bei der Entleerung (sog. Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie [DSD]). Auch eine direkte Wirkung auf den glattmuskulären Sphinkter ist denkbar, da nicht in allen Fällen einer funktionellen DSD ein pathologisches Elektromyogramm der Beckenbodenmuskulatur (quergestreifte Muskulatur) ableitbar ist.

Die Ursachen für diesen Schaden sind vielfältig:

  • Bluthochdruck
  • Diabetes
  • Nikotinabusus
  • Durchbklutungsstörungen
  • Giftstoffeinwirkung
  • usw.

Die Behandlung besteht in einem Ausschalten der Ursachen und dem Versuch der Schutzschichtverbesserung. Man kann hier versuchen, den Teufelskreis zu durchbrechen, der in der weiteren Schädigung der produzierenden Schleimhautzellen durch Schleimmangel besteht, indem man die Schutzschicht "künstilich" aufbringt, damigt sich das Milieu der Blase wieder regeneriren und die Schleimhaut dann wieder ihr eigenes GAG produzieren kann.

Leider ist das nicht immer erfolgreich und in den seltensten Fällen ist die Behandlung eine Kassenleistung.

 

Blasenwand-bedingter Drang - Interstitielle Zystitis

Die interstitielle Zystitis ist ein mit Pollakisurie und Harndrang einhergehendes Schmerzsyndrom, an dem insbesondere Frauen erkranken. Betroffene erleiden erhebliche Einschränkungen der Lebensqualität. Infektion, alterierte Blasenschleimhautbarriere, von außen eingebrachte Giftstoffe sowie neurologische, hormonelle, vaskuläre, allergische oder autoimmune Störungen werden ursächlich vermutet. Die Diagnose beruht auf dem klinischen Erscheinungsbild (Miktionsprotokoll) und einer Zystoskopie in Narkose, bei der nach Wasserdehnung (Hydrodistension) charakteristische Schleimhautblutungen (Glomerulationen) und -einrisse (sog. Mukosa-Cracking) auftreten. Als histologischer Indikator gilt eine Mastzellinfiltration. In Ermangelung kausaler Therapieansätze wird symptomatisch mit oralen Therapeutika (unter anderem Analgetika, Antiallergika, Antidepressiva, Immunsuppressiva), mit intravesikalen Instillationen (beispielsweise Pentosanpolysulfat, Dimethylsulfoxid) oder endourologisch (Distension, Laserkoagulation) behandelt. Als letzte Rettung  bleiben letztlich nur offen chirurgische Verfahren (supra-/subtotale Entfernung der Blase) mit Harnableitung.

 

In der Begleitung kann man durch den Versuch mit diätetischen Maßnahmen unter Umständen eine Linderung/Besserung herbeiführen. 

 


Ernährung bei Reizblase/Interstitieller Zystitis

Viele Patienten berichten, dass bestimmte Lebensmittel die starken Blasenschmerzen oder den Harndrang beeinflussen. Umfragen ergaben, dass es in vielen Fällen große Übereinstimmungen gibt. Es gibt aber auch viele Lebensmittelunverträglichkeiten die sehr individuell sind und keine allgemeine Empfehlung zulassen. Auch wird manchmal vergessen, dass man auch mehrere Unverträglichkeiten haben kann. Es kann also vorkommen, dass jemand keine Fruktose und keine Laktose verträgt. Wenn dann noch eine Weizenunverträglichkeit dazu kommt, ist es sinnvoll, sich in einschlägigen Internet-Foren Rat zu suchen. Zum Teil übernehmen die Krankenkassen dann auch eine Ernährungsberatung.

Da es bisher jedoch keinen anerkannten wissenschaftlichen Beweis dafür gibt, dass bestimmte Nahrungsmittel Patienten mit IC schaden können, sollte man in erster Linie eine ausgewogene Ernährung zu sich nehmen. „Nach Studien des ICA-Deutschland, von Gillespie und von Moldwin wurde bestätigt, dass ein Zusammenhang zwischen der Ernährung und den Beschwerden der IC in vielen Fällen besteht. 

Mehr dazu in der folgenden PDF-Datei.

 

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Behandlungsoptionen

Zur Behandlung der Dranginkontinenz stehen unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung

1.) Pflanzliche Mittel (Bryophyllum)

2.) Anticholinergika

3.) ß³-Sympatomimektika (Mirabegron - Betmiga)

4.) EMDA-Behandlung

5.) Botox-Behandlung

6.) Glykosaminoglykanschutzschichtregeneration.

EMDA

 Hierbei erfolgt mit Hilfe eines elektrischen Feldes schmerzfrei über einen in die Harnblase eingelegten „Spezial“-Katheter die gezielte Abgabe von in Flüssigkeiten gelösten Medikamenten in tiefere Gewebeschichten der Harnblase  -  also ein Zusammenwirken von Iontophorese,  Elektrophorese und Elektroporation.

 Die eingesetzten Medikamente richten sich gezielt gegen die Schmerzen und die chronische Entzündung der Harnblasenschleimhaut. Außerdem kann gleichzeitig eine Blasendehnung ( Zysto – oder Hydrodistension ) zur Vergrößerung der Blasenkapazität erfolgen.

Die E.M.D.A.-Therapie hat positiven Einfluss auf viele  Symptome:

•             Miktionsfrequenz und Harndrangsymptomatik

•             Schmerzsymptomatik

•             Blasenkapazität

•             Lebensqualität

Die E.M.D.A. erfolgt im Regelfall in 2 Stufen: zunächst erfolgt eine Zysto-Distension (Blasen-Dehnung) mit Lidocain/Dexamethason zur Kapazitätssteigerung;  hiernach in der 2.Stufe Applikation einer Pentosan® 200 mg oder Heparin® 15.000 IE – Lösung zum schrittweisen „Aufbau“ der Blasenschleimhaut.

Der positive „Effekt“ der Therapie hält im Durchschnitt 3 Monate an, es ist also in der Regel eine Erhaltungstherapie erforderlich.


Botox-Injektion

Das Nervengift Botulinumtoxin Typ A (kurz: Botox) ist vielen als Mittel zum Beseitigen von Falten bekannt. Es ist ein Eiweiß, das von dem anaeroben (sauerstofflos lebenden) Bakterium Clostridium botulinum gebildet wird. Seine Wirkung auf das Nervensystem wurde bereits vor etwa 100 Jahren beschrieben, als auffiel, dass der Verzehr von mit Clostridium botulinum verseuchten Konservendosen zu Lähmungserscheinungen führen kann.  Es lag also nahe die Wirkung von Botox auch zur Behandlung der spastischen Blase und des überaktiven Blasenmuskels (overactive bladder syndrome - OAB) zu nutzen. Seit Jahren wird es mittlerweile erfolgreich therapeutisch eingesetzt, um eine überaktive Blase zu behandeln, und zwar dann, wenn Anticholinergika versagen.


Seit Februar 2013 ist es dazu auch in Deutschland zugelassen, vorher war es ein sog. „off-labe-use“ [das bedeutet, dass das Medikament für ein anderes Anwendungsgebiet eingesetzt wird als das, für das es zugelassen und seine Wirkung erwiesen ist]. Das Botulinumtoxin Typ A-Präparat darf erwachsenen Patienten verordnet werden,  die unter einer "idiopathisch überaktiven Blase mit den Symptomen Harninkontinenz, imperativer Harndrang und häufiges Wasserlassen leiden und die auf Anticholinergika (s.o.)  nur unzureichend angesprochen oder diese nicht vertragen haben. Die gesetzliche Krankenversicherung muss in solchen Fällen nur dann für die Kosten aufkommen, wenn es um die die Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung geht, für die es keine andere Therapie gibt und eine begründete Aussicht auf Erfolg besteht]. 

 

Damit sich Muskelfasern zusammenziehen können, brauchen sie den Botenstoff Acetylcholin, der an den Nervenenden wirksam wird. Botox hemmt zum einen die Ausschüttung von Acetylcholin, dadurch wird die Signalübertragung blockiert, die Muskelfasern werden gelähmt. Zusätzlich wirkt es auch auf die sensorischen Nervenenden hemmend. Beide Eigenschaften wirken auf die überreagierende Blasenmuskulatur beruhigend, der Harndrang lässt nach, Urinverlust tritt seltener auf oder verschwindet für eine bestimmte Zeit vollständig.

Bei der Behandlung wird in  Kurznarkose oder Spinalanästhesie  Botox (50-100-200 Einheiten) mit einer feinen Nadel an mehreren verschiedenen Stellen (20-30) direkt in den Blasenmuskel eingebracht. Der ambulante Eingriff dauert etwa 10 Minuten und ist durch den leichten medikamenten-unterstützten Schlaf oder die Spinalanästhesie schmerzfrei. Die Wirkung der Behandlung tritt meist bereits am Folgetag der Behandlung ein und bedeutet für viele Patienten die Rückkehr in ein normales Sozialleben. Gegebenenfalls muss die Verabreichung von Botox nach ca. 9 - 12 Monaten wiederholt werden. Botulinumtoxin entfaltet seine Wirkung durch eine Abschwächung oder Teillähmung der Blasenmuskulatur und dessen Entspannung nach ca. 14 Tagen. Die Harnblase kann dann mehr Urin über einen längeren Zeitraum speichern. Der Patient bemerkt weniger Harndrang, entleert die Blase in größeren Abständen und verliert oft keinen Urin mehr. Nachteil der Therapie ist, dass der Therapieeffekt nach einigen Monaten (ca. 6-12 Monate) wieder nachlässt, was die Wiederholung der Botulinumtoxin-Therapie notwendig macht. Manchmal hat der Patient für einige Tage nach der Therapie Blut im Urin. Der Urin klart allerdings innerhalb kurzer Zeit von alleine auf. In seltenen Fällen kann eine kurz andauernde Blasenentleerungsstörung nach Botulinumtoxin-Therapie auftreten; d.h. der Patient kann die Blase nicht vollständig entleeren. Je nach Ausprägung der Blasenentleerungsstörung Die resultierende Restharnbildung (unvollständige Entleerung der Harnblase) und sehr selten vorübergehende Harnsperre sind die Ursachen für die in den Studien beobachteten Harnwegsinfekte unter Botoxtherapie.  Deshalb ist nach dem Eingriff die (wiederholte) Bestimmung der Restharnmenge mittels Ultraschalluntersuchung erforderlich. Bei Harnsperre, deren Auftreten mit einer Häufigkeit ca. 6% aller Eingriffe (meist nur nach der 1. Behandlung) angegeben wird, muss eine vorübergehende Katheterversorgung oder selbständige Entleerung der Blase mit einem Katheter (Selbstkatheterismus) erfolgen (was bis zu 3-4 (max. 6) Wochen andauern kann).  

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